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Friedrich Joussen (TUI AG), Vorstandsvorsitzender gemeinsam mit Peter Long

Fritz Joussen – TUI: „WIR WOLLEN, WIR KÖNNEN UND WIR WERDEN ZU WIRTSCHAFTLICHER STÄRKE ZURÜCKFINDEN“

INTERVIEW

Das letzte Jahr stand im Zeichen des Übergangs: Nach der Zeit des Stillstands gelang Fluggesellschaften, Hotels und Touristikunternehmen ein erfolgreicher Neustart. Was hat sich durch die Pandemie für TUI geändert? CEO Fritz Joussen erklärt, was neu ist, was bleibt – und warum es gute Gründe für Optimismus gibt.

Wie lautet das Fazit der TUI für die Tourismussaison 2021?

Der Neustart nach Ostern und die Sommersaison waren für TUI erfolgreich. Das zeigt sich auch im Ergebnis. Natürlich ist 2021 ein Übergangsjahr. Der späte Start, einige europäische Quellmärkte haben Reisen erst im vierten Geschäftsquartal ermöglicht, nicht alle Destinationen konnten durchgehend bereist werden. Es war viel Flexibilität gefordert. TUI kann das wie kein anderer in unserer Industrie leisten, weil wir alle Stufen der Wertschöpfungskette einer Reise im eigenen Haus haben und so auch beim Restart schnelle und abgestimmte Entscheidungen treffen können: Wenn wir unsere Hotels in einer Region wieder öffnen, stellen wir den Flugplan auf, haben Flugzeuge, um das Ziel anzufliegen, und die Teams vor Ort, um die Gäste zu betreuen. Alles greift ineinander. Das ist wichtig für den Gast sowie unseren Service und ist wirtschaftlich effizient. Die gute Nachricht für 2021 ist: Der Markt ist intakt, daran hat die COVID-19-Pandemie nichts geändert.

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© GELD & TOURISMUS

Urlaub ist extrem wichtig für die Menschen. Die Buchungen lagen im vierten Quartal wie erwartet bei rund 50 % eines normalen Buchungsjahres. Trotz des herausfordernden Umfelds konnten Hotels & Resorts sowie die Regionen Zentral und West erstmals seit Beginn der Pandemie positive Ergebnisse erzielen. Dies zeigt einmal mehr die Vorteile unseres integrierten Geschäftsmodells. Unsere Hotelpartner und alle im Tourismus tätigen Unternehmen haben einen sicheren und erholsamen Urlaub ermöglicht. Dafür sagen wir Danke – unseren Gästen für ihre Treue, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihren großartigen Einsatz und den Hoteliers und den Partnern für Professionalität und große Gastfreundschaft.

Was sind die Erwartungen der TUI für die Tourismussaison 2022?

Mit Blick auf die Sommersaison 2022 sind wir positiv gestimmt. Die Indikatoren und Trends sind intakt, der Sommer 2022 ist gut gebucht und entspricht derzeit den Kapazitätserwartungen. Aktuell, zum Jahresende 2021, sehen wir zwar die vierte Welle, unter anderem in unserem Heimatmarkt Deutschland. Gleichzeitig sind aber viele Länder im Süden Europas sehr stabil, mit niedrigen Inzidenzen und hohen Impfquoten. Das sind Reiseziele, die auch im letzten Winter gut gebucht und sehr sicher waren. Entscheidend ist aber der Blick auf das Frühjahr und den Sommer 2022. Es ist noch zu früh, um eine echte Prognose für die Sommersaison 2022 abzugeben. Wir sind aber optimistisch, dass sich der Tourismus im nächsten Sommer auf das Niveau von 2019 erholen kann. Gleichzeitig wissen wir aber auch aus 2021, dass deutlich später und kurzfristiger gebucht wird. Die Buchungen für den Sommer 2022 aus allen TUI Märkten sind schon jetzt sehr ermutigend.

Welche neuen Trends sehen Sie infolge der Pandemie im Reiseverhalten?

Die Kunden buchen höherwertiger, sie leisten sich mehr, entscheiden sich schon vor der Reise bewusst für Extras und Zusatzleistungen. Sie sind bereit, mehr Geld auszugeben, z. B. für ein Zimmer-Upgrade, ein höherwertiges Hotel oder besonders authentische Erlebnisse am Urlaubsort. Auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ist leicht gestiegen. Aktuell sehen wir weiter eine starke Verlagerung der Reisen in die Mittelmeerländer.

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© GELD & TOURISMUS

Wir gehen davon aus, dass die Erholung des Geschäfts mit Langstreckenzielen etwas zeitversetzt kommt. Aber auch die Fernziele kommen zurück, auch Nordafrika und die Kapverdischen Inseln.

Was hat sich Ihrer Ansicht nach nicht verändert?

Der Tourismus ist und bleibt ein starker Wachstumsmarkt. Er profitiert von übergeordneten gesellschaftlichen Trends, die sich heute schon stark zeigen und langfristig eher verstärken werden: Die Menschen werden älter, sie sind gesünder und leben bewusster. Viele haben die finanziellen Mittel und entscheiden sich ganz bewusst für die Reise. Erlebnisse und Begegnungen sind für viele Menschen wichtiger als Eigentum und Besitz. Man kann sagen, Erlebnisse sind der neue Luxus. Die Menschen wollen besondere Momente erleben. Das ist der Urlaub, das Hotel oder die Kreuzfahrt. Davon profitiert das Reisen. Die Pandemie hat lediglich einen Pausenknopf gedrückt, aber die Trends sind ungebrochen und setzen sich fort.

Wie sehen die Pläne des TUI Konzerns aus, was Investitionen anbetrifft? Hat die Pandemie etwas an diesen Plänen geändert?

Wir werden unsere Asset-Right-Strategie fortsetzen, die wir schon 2019, vor der Pandemie, begonnen haben. Das heißt: mehr Hotels, die wir betreiben, weniger Hotelimmobilien, die wir im Besitz haben. Wir sind eine Hotelgesellschaft, kein Immobilienunternehmen. Das Wachstum des Konzerns und seiner Hotels soll von den Investitionen entkoppelt werden. Dabei trennen wir das Hotelmanagement und das Urlaubserlebnis vom Immobilienbesitz – ein Geschäftsmodell, das sich in der internationalen Stadthotellerie bewährt hat. Mit mehr als 400 Hotels ist die TUI international führend in der Ferienhotellerie. Für das Kundenerlebnis sind die Marke und die Qualität des Hotels ausschlaggebend, nicht der Besitz der Immobilie. Wir werden weiterhin maßgeschneiderte Hotelerlebnisse für unsere Gäste schaffen, was durch Management Verträge genauso gut möglich ist. Dabei suchen wir vor allem langfristige, strategische Partnerschaften und ziehen auch Kooperationen mit institutionellen Investoren in Betracht. Grundsätzlich umfassen unsere Wachstumspläne Ferienhotels in Europa, Ostasien, Afrika und der Karibik.

Daneben setzen Sie aber auch auf Transformation und Digitalisierung, wo steht TUI da?

Wir haben schon frühzeitig mit der Transformation der TUI vom vertikal integrierten Tourismuskonzern zum digitalen Plattformunternehmen begonnen. Die war schon vor der Krise wichtig und wurde massiv vorangetrieben. Ein extrem wichtiger Baustein ist unser Geschäftsfeld Aktivitäten und Experiences. Da sehen wir großes Zukunftspotenzial. Wie schon vorher gesagt: Erlebnisse sind der neue Luxus. Wir sind in mehr als 100 Ländern der Welt aktiv, wir verbinden die Erlebnisse der Welt und die Wünsche der Kunden. Für unsere eigenen Geschäfte und als Partner für Dritte. Durch den Kauf und die Integration von Musement haben wir ein strategisches Geschäftsfeld entwickelt. Die Integration von Musement ist abgeschlossen und liefert hervorragende Resultate.

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Die Plattform für Erlebnisse ist inzwischen derart skalierbar und robust, dass andere große Reiseportale sie auch für ihre Kunden nutzen.

Viele Destinationen setzen auf Nachhaltigkeit und Qualität, das bedeutet höhere Preise. Kommt Ihnen das entgegen oder verringert sich dadurch das Gästeaufkommen?

Nachhaltigkeit und Qualität sind wichtige Bestandteile unserer Strategie. Wir haben in neue Flugzeuge investiert, neue Kreuzfahrtschiffe in Betrieb genommen und mehr als 80 Prozent unserer Hotels verfügen über eine Nachhaltigkeitszertifizierung. Schon 2019 wurden über alle Geschäftsfelder hinweg mehr als 250 Mio. Plastikteile eingespart. Wichtig ist, dass die Umwelt am Reiseziel geschützt wird und ein wirtschaftlicher und sozialer Nutzen für die einheimische Bevölkerung und die lokalen Unternehmen entsteht. Soziale und ökologische Nachhaltigkeit gehören für mich zusammen. Mir hat das Motto des G20-Gipfels gut gefallen: „People, Planet, Prosperity“. Unsere Nachhaltigkeitsagenda heißt „People, Planet, Progress“ – Progress steht für die Bewegung und den messbaren Fortschritt, den wir Jahr für Jahr erreichen wollen. Ich sehe mehr Nachhaltigkeit und die weitere Transformation unternehmerisch als Chance, nicht als Folge von politischer Regulierung. Wir fangen bei TUI vor allem nicht bei null an, wir bauen auf den Programmen und Erfolgen der letzten Jahre auf. Nachhaltigkeit hatte bei TUI immer einen hohen Stellenwert, im Unternehmen und vor allem bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Gleichzeitig ist mir wichtig, dass wir uns nicht mit Versprechen überbieten, sondern uns messbare Ziele setzen, bewusste Entscheidungen treffen und dann echte Fortschritte machen. Die Entscheidungen der letzten Jahre für Investitionen in eine moderne, CO2-effiziente Flugzeugflotte sind so getroffen worden, die Reduzierung der Plastikteile ist derselben Logik gefolgt.

Wie gestaltet sich die Abgabe von Anteilen an die Riu-Gruppe? Welche Auswirkungen hat dies für den Kunden?

Absolut keine. TUI ist weiter zu 50% an Riu beteiligt. Kern ist und bleibt auch in Zukunft das erfolgreiche 50:50 Joint Venture von der Familie Riu und TUI, also die Hotelgesellschaft. Unter diesem Dach finden der Betrieb und die Vermarktung aller 100 Riu-Hotels weltweit statt. Es ändert sich für die Kunden nichts und Riu steuert auch wie in der Vergangenheit einen wesentlichen Beitrag zum Ergebnis der TUI Hotelsparte bei. Die Veränderung betraf einen zweiten Arm, im Wesentlichen eine reine Immobilienbesitzgesellschaft, die 21 Immobilien verwaltete. TUI hatte an dieser Immobiliengesellschaft nur eine Minderheitsbeteiligung von 49%. Die Familie Riu hat diese Immobilien nun vollständig übernommen. Der Verkauf wurde vor einigen Monaten abgeschlossen und hat keine Auswirkungen auf das operative Geschäft. Auch diese 21 Immobilien werden weiter von unserer gemeinsamen Hotelgesellschaft geführt und vermarktet. Für eine Hotelgesellschaft ist nicht der Besitz der Immobilie entscheidend – das ist bei großen internationalen Hotelmarken sogar eher die Ausnahme. Entscheidend sind das Management, das Marketing, die Gestaltung von Hotel- und Urlaubserlebnissen sowie die Hotelmarken. Da hat sich bei Riu und TUI nichts geändert.

2020 und 2021 gehen zweifelsohne als Pandemiejahre in die Geschichte ein. Wofür steht 2022?

Nach der Transformation und dem Umbau von Geschäftsfeldern und dem Neustart des Tourismus in den letzten Monaten liegt unser Fokus jetzt auf der Refinanzierung und Reduzierung der Inanspruchnahme der Staatskredite. Wir wollen, wir können und wir werden zu wirtschaftlicher Stärke zurückfinden. Daran arbeiten wir mit ganzer Kraft. Die neue TUI wird schlanker, digitaler und effizienter. Aber sie wird weiter Standards im Tourismus setzen, bei Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit. Was uns ausmacht, ist die Begeisterung für das, was wir tun: Urlaubserlebnisse für unsere Kunden. Der Wunsch danach wird nach zwei Jahren Pandemie größer sein als je zuvor. Auch das stimmt uns alle bei TUI optimistisch für 2022.

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